Zurück zu den Quellen
Die digitalisierte Realität der heutigen Jugend stelle ich in meist großformatigen Acrylbildern dar.
Die “sozialen“ Netzwerke prägen zunehmend das Leben junger Menschen. Diese digitalisierte Realität führt zu einer Verzerrung mit der wahren Realität.
Wie viele wahre Freunde existieren wirklich unter den Hunderten von Friends, Followern und Likern aus den „pseudosozialen“ Netzwerken?
Die Grenze zwischen tatsächlicher oder virtueller Welt ist verschwommen und häufig nicht mehr wahrnehmbar. Es ist fraglich, ob diese unnatürliche Parallelwelt das menschliche Bedürfnis nach Beziehungen erfüllen kann.
Hintergrund
[ … Es gibt viele Wege zu gehen. Und manchmal reicht ein einziges Leben dafür nicht aus. Als sich der junge Mann am frühen Morgen von seiner Familie verabschiedete, funkelte die Kühle der Nacht im satten Grün der Wiesen, und sein Herz klopfte wild vor Aufregung und den Schmerzen der Trennung. Seine Mutter versuchte ihn nicht mehr umzustimmen. In den Tagen davor hatte sie ihn immer wieder beschworen: “Bleib doch hier! Lerne lieber etwas Sinnvolles! Nimm dir eine Frau und gründe eine Familie.”
Aber der junge Mann war durch nichts zu überzeugen. In dieser kleinen Stadt kannte er jeden Winkel, den Staub der Straßen, die hektische Betriebsamkeit, die täglichen Lügen und das falsche Lachen, wenn die Menschen miteinander Geschäfte machten. Hier kam ihm alles so sinnlos vor. Er würde den Sinn seines Lebens irgendwo anders finden, davon war er überzeugt. …]
Aus “Der Sinn des Lebens” von Roland Kübler, „Wie viele Farben hat die Sehnsucht – Ein Märchenbuch“
————————————————————————————-
Die Adoleszenz ist die Zeit des Heranwachsens. Von der späten Kindheit über die Pubertät bis zum Erwachsensein.
Der Begriff der Ich-Entwicklung wurde von Jane Loevinger geprägt. Danach ist die Ich-Entwicklung das spezifische Muster, wie eine Person sich selbst und die Welt wahrnimmt und interpretiert. Dieses Muster unterliegt im Zuge der Entwicklung mehrfacher Transformationen, die zu einem immer größeren Bewusstsein führt.
Nach Loevinger ist das Ich nicht eine psychische Instanz (wie z.B. in der Psychoanalyse), sondern ein Prozess, der die Gedanken und Erfahrungen eines Menschen organisiert. Dieser Prozess des Selektierens und Interpretierens von Gedanken und Erfahrungen ist das, was die Stabilität der jeweils erreichten Ich-Entwicklungsstufe mit dem Eintritt in das frühe Erwachsenenalter ausmacht.
Im Unterschied dazu Sigmund Freud: Er vertrat die Ansicht, das der überwiegende Anteil der menschlichen Entscheidungen “unbewusst” und nur ein geringer Teil “bewusst” motiviert ist.
Meine Bilder beschreiben den Zustand junger Menschen in dem Zeitraum der Ich-Entwicklung. Es sind zeitgenössische Bilder junger Erwachsener.
Die jungen Frauen und Männer beginnen zu erkennen, dass das eigene Denken und Handeln eigenverantwortlich wird. Kriesen und Ängste begleiten diesen Prozess.
Es gibt aber auch viel Ablenkung: Viele Freunde in sozialen Netzwerken, Computerspiele, Partys und Drogen.
Der Entwicklungsprozess kann stoppen oder verzögert werden. Die Psyche kann aus dem Gleichgewicht geraten.
Ich zeige in meinen Bildern einige Stationen dieser Adoleszenz, die es schon seit Menschengedenken gibt, aber heute mit neuen Herausforderungen zu kämpfen hat.
Da das Denken und Handeln vor allem an Regeln und Normen der relevanten Bezugsgruppen ausgerichtet ist, stellt die Ich-Entwicklung heute eine andere da als früher. Bezugsgruppen in sozialen Netzwerken prägen immer mehr das Leben junger Menschen. Dieses führt zu einer unnatürlichen Parallelwelt, eine neue Welt, in der noch unklar ist, ob sie die menschlichen Bedürfnisse nach Beziehungen erfüllen wird!
Regina Geissler